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9 | A Corporate Counterstrategy Near You Josselien Janssens | ||
Die Konferenz "Next 5 Minutes 3" diskutierte Gegenstrategien gegen Online-Aktivismus | |||
Multinationale Konzerne - so die Prämisse des von Eveline
Lubbers geleiteten Panels »Corporate Counterstrategies« - stützen sich
gegenüber kritischen Kampagnen im wesentlichen auf drei Strategien: zunächst
ihre vorgebliche Offenheit und damit Kooptierung von sozialen oder ökologischen
Anliegen - dies belegt das Beispiel des Shell-Konzerns1; zweitens trügerische
Gegen-PR-Maßnahmen, die sich oft auf pseudo-»grüne« Aktionsgruppen berufen,
um die öffentliche Meinung gegen wahrhaft ökologische Maßnahmen zu wenden;
und schließlich den Einsatz von Überwachung und Geheimoperationen, im
Extremfall auch Gewalt gegen einzelne AktivistInnen. Das Wissen um diese
Taktiken - so die Zielsetzung des Panels - kann aber von SozialaktivistInnen
aufgegriffen, in ihre eigenen Kampagnen integriert und gegen deren UrheberInnen
gewendet werden. Konzerne, die unter moralischen Beschuß kommen, nutzen seit kurzem auch das Internet für ihre Gegenmaßnahmen. So etwa arbeitet Shell fieberhaft daran, das Netz in ihre viele Millionen Dollar verschlingenden »Grünwaschungs«-Strategien zu integrieren. »Dialog« ist dabei das Schlüsselwort. Indem Shell die Debatte über die sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf eigenem Terrain führt, versucht der Konzern, der Öffentlichkeit tatsächliche Veränderungen vorzugaukeln. Der Panelteilnehmer Andrew Rowell (UK), Autor des Buches »Green Backlash: The Global Subversion of the Environmental Movement« (1996), bezog sich in seinem Beitrag zentral auf den amerikanischen Anti-Grüne-Guru E. Bruce Harrison. Harrison rät den Konzernen, den öffentlichen Dialog und »Transparenz« zu suchen, nebenbei aber Business-as-usual zu betreiben. Protest soll befriedet werden, indem die KritikerInnen in vier Kategorien - Radikale, OpportunistInnen, IdealistInnen und RealistInnen - eingeteilt werden und die Radikalen anschließend isoliert werden, indem sie als Gefahr für Arbeitsplatz und Wohlergehen hingestellt werden. In der Folge können die kritischen Argumente der anderen »Gruppen« leicht kooptiert werden, ohne das Konzerngebaren grundlegend ändern zu müssen. Royal Dutch Shell lancierte am 15. März 1999 seine neue Website (www.shell.com). Die neue PR-Linie zielt auf soziale Verantwortung und soll uns glauben machen, daß die öffentliche Meinung auch für Shell zählt, wenn die Erde regelrecht brennt. KritikerInnen können ihre Meinung auf dieser Homepage deponieren, und tatsächlich erhält Shell zirka 1.000 E-Mails im Monat, die von einer vollbeschäftigten Person innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden. Tatsächlich aber bleibt die Frage offen, ob diese Antworten weiter reichen, als bloß die eigenen PR-Strategien immer weiter zu verfeinern und der Kritik anzupassen. Die zahlreichen Shell-Opfer unter den Ogoni in Nigeria würden zweifellos kein so rosiges Bild zeichnen. Rowell dazu: »Wir sollten uns durch den Dialog nicht täuschen lassen. Die Frage bleibt, ob riesige Ölkonzerne überhaupt tragbar sind. Und wenn sie das nicht sind, egal welchen Grünanstrich sie sich geben, so sollten AktivistInnen auch keine Zeit und Ressourcen darauf verwenden, in Dialog mit ihnen zu treten.« They Can Kill Some Of Us, But They Cannot Kill All Of Us Sheila O'Donnell (USA), eine Privatdetektivin, die sich mit taktischer Recherche beschäftigt und Fälle von Gewalt und Einschüchterung gegenüber AktivistInnen untersucht, berichtete von einem ganz anderen Schauplatz: Wenn es darum geht, KritikerInnen zu stoppen, setzen private Sicherheitsdienste oft dort an, wo die Aktivitäten von CIA und FBI aufhören. So passiert es nicht nur in den USA, sondern zunehmend auch in Europa, daß friedfertige AktivistInnen Bedrohungen ausgesetzt sind und bisweilen sogar ermordet werden. Niemand weiß, wer diese schmutzigen Aufträge erledigt, wie etwa eine Bombe im Auto der beiden »Earth First«-AktivistInnen Judi Bari und Darryl Cherney 1990 in Kalifornien zu plazieren; oder Häuser anzuzünden, in denen sich Forschungsbibliotheken zum Thema Giftstoffverbrennung befinden, wie dies dem Greenpeace-Mitglied Pat Costner 1991 passierte. Insgesamt verwundert es aber nicht, daß Konzern-PR und ökonomische Panikmache heute gut darauf eingespielt sind, Haß und Angst gegen die KritikerInnen von destruktiven sozialen und ökologischen Praktiken zu mobilisieren. 1 Vgl. Eveline Lubbers: Das Brent Spar Syndrom. Abrufbar unter http://www.xs4all.nl/~evel/brenteng.htm Das Programm von »Next Five Minutes 3«, Berichte, Kommentare und Links finden sich unter www.n5m.org; die vollständigen Beiträge zu »Corporate Counterstrategies«, an dem neben den erwähnten Vortragenden auch Claudia Peter (D) und Helen Holder (NL) teilnahmen, sind unter www.xs4all.nl/~evel abrufbar. | |||
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